Handeln für die Schöpfung

Foto: Gertrud Hein

Good Practice

In Mülheim an der Ruhr waren zwei Turmfalken kleine Internetstars. Tierfreunde haben am Glockenturm der Petrikirche Webcams aufgestellt. Damit konnten Zuschauerinnen und Zuschauer die Vögel beim Brüten, Jagen und bei Erkundungsflügen verfolgen.

Küster Harry Helming-Arnold und Hendrik Peek, bezeichnenderweise der Wirt des Restaurants Mausefalle gegenüber der Petrikirche in Mühlheim, beobachten schon seit Jahren das Geschehen rund um die Kirche. Um den Turm wieder für Turmfalken interessant zu machen, entfernte Arnold 2009 einen Stein vor einer Nische neben der Kirchturmuhr. In der Folge wurde ein Nistkasten gebaut und falkengerecht installiert, wie in der Falken-Chronik der beiden Tierfreunde eindrucksvoll mit Fotos und erklärenden Texten dokumentiert ist.

Anfang 2021 sind die beiden Kameras hinzugekommen, die dann 24 Stunden am Tag Bilder für einen Livestream auf der Videoplattform Twitch liefern. Dort waren die Falken in kurzer Zeit kleine Stars geworden. Knapp 1.000 Abrufe hatte der Livestream.

Dass die teils spektakulären Bilder Fans anlocken, ist nicht überraschend. Aber was lockt die Tiere in Kirchtürme? „Wir haben eine in den Ursprüngen mittelalterliche Kirche, die im Dachgeschoss Einfluglöcher hat. Dadurch haben zahlreiche Tiere auch Zugang zu der Kirche“, sagt Dietmar Hartmann, Umweltbeauftragter der evangelischen Kirchengemeinde Marienberghausen. Auch diese Kirchengemeinde beheimatet Vögel.

Holger Sticht, Landesvorsitzender des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), erklärt, warum Kirchtürme oft die einzigen Zufluchtsorte für Turmfalke, Schleiereule, Wanderfalke, Dohle und verschiedene Fledermausarten sind: „Sie sind häufig störungsarm und stellen einen Ersatzfelsen beziehungsweise eine Ersatzhöhle dar, die von Vogel- oder Fledermausarten genutzt werden, die gerne Felsen besiedeln.“

Dass Turmfalken oder andere tierische Jäger dabei helfen könnten, zu viele Kirchenmäuse oder Ratten zu vertreiben, bezeichnet er allerdings als Irrglauben. Nicht die Jäger, sondern die Futterverfügbarkeit regulierten den Bestand, erklärt er, wobei Turmfalken ohnehin nicht direkt vor den Kirchen, sondern eher auf freien Feldern jagen.

Ein Kirchturm allein ist allerdings noch keine Garantie dafür, dass Turmfalken oder andere Vogelarten in einer Kirche einziehen. Deshalb haben sich der Küster und der Wirt in Mühlheim Hilfe von Tierschützern vor Ort geholt. Auch in Marienberghausen und Eckenhagen gab es Hilfe durch einen Tierschutzverband. Insbesondere wenn es um die Installation von Nistkästen geht, sei professionelle Hilfe gefragt, betont Dietmar Hartmann. In Eckenhagen mussten Nistkästen für Mauersegler beispielsweise mit einem Kran angebracht werden – ein Projekt, das ohne die Experten nicht umzusetzen gewesen wäre.

NABU und BUND helfen sowohl bei handwerklicher Tätigkeit als auch bei der Planung solcher Projekte. Unter dem Titel „Wohngemeinschaft im Kirchturm“ und „Artenschutz an Gebäuden“ stellen sie Informationen für interessierte Gemeinden bereit. Die Hinweise beleuchten auch, welche Tierarten zum Beispiel nicht an einem Ort längere Zeit gemeinsam leben können.

Der NABU listet im Rahmen des Projektes „Lebensraum Kirchturm“ zudem Kirchen auf, die mit Ortsgruppen kooperieren und Heimat für Vögel geworden sind. Aus dem Bereich der rheinischen Kirche berichten unter anderem die Friedenskirche in Krefeld, die Kirchengemeinde Erkrath, die Kirchen in Großaltenstädten und Erda und die Gemeinde in Homberg von Turmfalken, die immer wieder dort nisten.

Turmfalke mit Gelege

Ein Blick in den Nistkasten für Turmfalken in Mülheim. Foto: Hendrik Peek



Ein Blick in den Nistkasten für Turmfalken in Mülheim