Handeln für die Schöpfung

Foto: Gertrud Hein

Good Practice

Bericht zur Online-Veranstaltung „Schöpfungsfreundliche Verpachtung von Kirchenland“ des Arbeitskreises „Handeln für die Schöpfung“ im September 2023 mit über 60 Teilnehmerinnen und Teilnehmern.

Die Kirchen in Deutschland sind mit ca. 500.000 ha der größte Besitzer von landwirtschaftlich genutztem Land. Damit haben Kirchengemeinden und kirchliche Einrichtungen mit ihrer Verpachtung von Kirchenland die Möglichkeit, auf eine naturverträglichere Landbewirtschaftung nach ökologischen und sozialen Kriterien Einfluss zu nehmen. Die Online-Veranstaltung „Schöpfungsfreundliche Verpachtung von Kirchenland“ des Arbeitskreises „Handeln für die Schöpfung“ hat Auswahlverfahren von Pächterinnen und Pächtern vermittelt und Pachtverträge, die anstelle von rein ökonomischen Kriterien ökologische und soziale Aspekte in den Mittelpunkt stellen, vorgestellt und diskutiert. Ziel der Online-Veranstaltung war, Impulse zu setzen, Kirchengemeinden und kirchliche Einrichtungen zu motivieren, auch bei der Landverpachtung den Gedanken „Handeln für die Schöpfung“ aufzugreifen und dabei eine Vorreiterrolle einzunehmen.

Dabei wies Christoph Diefenbach, Referent für Nachhaltigkeitsmanagement bei der Evangelischen Kirche im Rheinland und Mitglied im Arbeitskreis „Handeln für die Schöpfung“ der Natur- und Umweltschutzakademie NRW, NUA, einleitend darauf hin, dass sich die Kirchen bereits im Jahr 2016 im Loccumer Appell wegweisend für ihre Landverpachtung festgelegt haben. Im Übrigen betonte er vor den über 60 Anwesenden im Onlineraum, dass der Rückgang der Biodiversität von allen gesellschaftlichen Bereichen ein Umdenken erfordert.

Auch Dr. Linda Trein, Regionalberaterin für die Regionen Mitte und West bei Fairpachten, einer Initiative der NABU-Stiftung Nationales Naturerbe, verwies darauf, dass das Artensterben und der Verlust der Biodiversität eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung sind, bei der alle Teile der Gesellschaft gefragt seien. Der Rückgang der Brutpaare des Kiebitzes, einem typischen Feuchtgrünlandbewohner, von 1980 bis 2016 um 93 Prozent sei nur ein Beispiel dafür.

Als eine Ursache dabei nannte die Agraringenieurin die Intensivierung der Landwirtschaft mit intensiver Düngung und Pflanzenschutz und immer weniger Strukturvielfalt in der Landschaft, beispielsweise durch Hecken und Randstreifen. Vor dem Hintergrund, dass in Deutschland 59 Prozent der landwirtschaftlichen Flächen Pachtflächen sind, komme den Pachtverträgen eine erhebliche Bedeutung zu, erklärte sie. „Dort können die Eigentümer auch Naturschutzmaßnahmen vereinbaren.“

Um möglichst sinnvolle und wirksame Maßnahmen zu vereinbaren, riet Sie dringend dazu, sich individuell beraten zu lassen. „Wir können mit den Landwirten dann vor Ort flächenscharfe Empfehlungen für Maßnahmen und deren Verankerung im Pachtvertrag erarbeiten und Förderangebote kommunizieren. Die Beratung ist kostenlos.“

Praktisch umgesetzt hat dies Christine Jantzen, Bürgermeisterin der Gemeinde Kieve, mit ihrer Kirchengemeinde. Die Vorreiterin ist dafür ausgezeichnet worden. Sie gibt gerne telefonisch ihre Erfahrungen an Interessierte weiter. 

Dr. Linda Trein rät dazu, bereits ein Jahr vor einer anstehenden Pachtverlängerung mit Fairpachten Kontakt aufzunehmen und beispielsweise zu einem kostenlosen Vortrag einzuladen. „Die Abstimmungs- und Entscheidungsfindung braucht Zeit. Wenn jedoch schon klar ist, dass Maßnahmen vereinbart werden, können wir den Maßnahmenkatalog in sechs Wochen fertigstellen.“ Da die möglichen Maßnahmen sehr unterschiedlich aufwändig sind, rät Sie dazu, Pachtpreis und Pachtdauer entsprechend anzupassen.

Im zweiten Teil der Online-Veranstaltung referierte Johann Verhoeven, Theologe und Bildungsreferent am Katholischen Bildungszentrum Wasserburg Rindern, zu den Dilemmata der kirchlichen Landverpachtung. Er hat seine Magisterarbeit zu „Kirchliche Landverpachtung im Dilemma“ geschrieben und dafür im Bistum Münster Interviews geführt und ausgewertet.

Das erste Dilemma kirchlicher Landverpachtung sei die Konkurrenz zwischen Ökologie und Wirtschaftlichkeit auf beiden Seiten des Pachtvertrags, erklärte er. Das zweite Dilemma kirchlicher Landverpachtung sei die Diskrepanz zwischen dem Anspruch seitens der Kirche, die Schöpfung zu bewahren, und der gängigen Praxis der kirchlichen Verpachtung. Wichtig sei immer, das Ganze sowohl von der Seite des jeweiligen Landwirts als auch von der Seite des auf der kirchlichen Seite entscheidenden Gremiums zu betrachten.

Johann Verhoeven machte deutlich, dass aufgrund ihrer wirtschaftlichen Situation nach wie vor immer mehr kleine bäuerliche Landwirtschaftsbetriebe aufgeben mit der Folge, dass sich die Flächen auf weniger große Betriebe konzentrieren und die Intensivierung der Landwirtschaft vorangetrieben wird. Auch die ökologisch wirtschaftenden Betriebe seien von enormem Preisdruck und der Tendenz, dass kleinere Höfe aufgeben, betroffen. Johann Verhoeven kommt selber von einem biologisch wirtschaftenden Betrieb.

Entscheidungsträger auf kirchlicher Seite seien häufig die Kirchengemeinden, da viel Kirchenland in deren Trägerschaft liegt, erklärte der 25-jährige. Diese ehrenamtlichen Gremien seien in ökologischen und landwirtschaftlichen Fragen oftmals unerfahren und überfragt.

Gleichzeitig bekennen sich sowohl die evangelische als auch die katholische Kirche immer wieder zu mehr Biodiversität auf Kirchenland und der Gemeinwohlnützigkeit kirchlichen Eigentums. „Ethik fordert, Verantwortung für ein gelingendes Leben zukünftiger Generationen zu übernehmen“, erklärt denn auch Johann Verhoeven. „Diesen hohen Idealen wird die katholische Verpachtungspraxis im Bistum Münster nicht gerecht“, hat er ermittelt. „Nur 22 Hektar werden ökologisch bewirtschaftet.“

Johann Verhoeven schlägt vor, den Nachhaltigkeitsrechner der Regionalwert AG bei der Auswahl von Pächterinnen und Pächtern zu nutzen. Dabei müssen die potentiellen Pächterinnen und Pächter 175 Fragen beantworten. Von Tierwohl bis Fachwissen werden soziale, ökologische und ökonomische Faktoren in den Blick genommen. Daraus werden die Nachhaltigkeitsleistungen des Betriebs und der Nachhaltigkeitsgrad ermittelt. Die Berechnung kostet für einen Betrieb zurzeit 289 Euro. Die Katholische Landvolkbewegung im Bistum Münster hat dazu ein Pilotprojekt mit 20 Betrieben gestartet.

„Anders wirtschaften muss sich lohnen. Aus sozialethischer und theologischer Sicht besteht dringender Handlungsbedarf“, stellt Johann Verhoeven zusammenfassend klar.

In den abschließenden Workshops wurden Stolpersteine und Gelingensbedingungen der schöpfungsfreundlichen Verpachtung von Kirchenland ermittelt.

Als Stolpersteine wurden beispielsweise fehlendes Wissen der ehrenamtlichen Entscheidungsträger und für die Kirchen notwendige Pachthöhen identifiziert.

Zum Gelingen trägt vor allem bei aufwändigen Maßnahmen eine Anpassung von Pachtpreis und Pachtdauer und das Prüfen von Fördermöglichkeiten im jeweiligen Bundesland bei. So werden in NRW beispielsweise derzeit Blühstreifen mit 1.260 Euro je Hektar gefördert. Attraktiv kann auch sein, im Vertrag einen Katalog von Maßnahmen anzubieten, aus dem der Pächter dann auswählen kann. Und wenn mit dem Nachhaltigkeitsrechner die Nachhaltigkeitsleistung berechnet wird, kann dies für den Betrieb einen Mehrwert darstellen, da das Ergebnis auch anderweitig genutzt werden kann. Hilfreich angesehen wird überdies, den Eigentümer fit zu machen und eine individuelle Beratung in Anspruch zu nehmen. Wichtig sei immer, im Miteinander und Dialog den Pachtvertrag zu entwickeln, hieß es. Denn, so die Erfahrung von Dr. Linda Trein „Sprechen hilft immer!“,

Good Practice-Beispiele und Materialien zum Thema finden sich auch hier im Portal auf der Themenseite "Nachhaltige Landwirtschaft auf  Kirchenland".

Ackerland und Dorf mit Kirche im Hintergrund

"Schöpfungsfreundliche Verpachtung von Kirchenland" stand im September 2023 im Mittelpunkt einer Online-Veranstaltung des Arbeitskreis "Handeln für die Schöpfung". Foto: Karola Wiedemann