Die Schöpfung Gottes mit ihrer Natur erleben, die Begeisterung dafür mit anderen teilen und feiern und sich in den Kirchengemeinden für den Erhalt der Biologischen Vielfalt einsetzen, ist das erklärte Ziel der nordrhein-westfälischen Kirchen.
Noch immer wird der gerne müde belächelt, beispielsweise wenn der Juchtenkäfer und die Gesetzgebung zu seinem Schutz ein Projekt wie den Bahnhof Stuttgart 21 zu kippen drohen, oder wenn das vermeintliche Unkraut Schierlings-Wasserfenchel in Hamburg die anvisierte Elbvertiefung in Frage stellt.
Dass es jedoch beim Ringen um den Erhalt der Biologischen Vielfalt, ebenso wie beim Klimaschutz, um die Zukunft der Menschheit und ihrer Lebensgrundlagen geht, ist noch viel zu wenig in unseren Köpfen und Herzen angekommen.
Die Arbeitsgemeinschaft der Umweltbeauftragten der Gliedkirchen der Evangelischen Kirche in Deutschland (AGU) schreibt auf ihrer Internetseite, dass 16.000 Arten akut vom Aussterben bedroht sind (mehr dazu auf den Seiten des BfN). Schätzungen zufolge leben auf der Erde 15 Millionen Pflanzen- und Tierarten. Viele Arten verschwinden vermutlich, so die Umweltbeauftragten, ohne dass wir sie je kennen gelernt haben. Und fast ausgestorbene Arten, die bekannt sind, finden wir bestenfalls noch im Zoo oder zum Beispiel im Falle des Ostseeschweinswals im Meeresaquarium.
Vom Aussterben bedroht: Ostseeschweinswal im Meeresaquarium.
Foto: Ostseeschweinswal / NABU/Willi Rolfes
Vom Aussterben bedroht: Gelbbauchunke.
Foto: NABU/Bruno Scheel
Die unwiederbringlich ausgestorbenen und verlorenen Pflanzen- und Tierarten fehlen, wie die Evangelische Kirche Deutschlands (EKD) in ihrer Publikation „Unser tägliches Brot gib uns heute - Neue Weichenstellung für Agrarentwicklung und Welternährung im Kapitel „ Biologische Vielfalt“ schreibt, beispielsweise für die Züchtung von angepassten und robusten neuen Sorten für die Welternährung, aber auch für die Forschung in Medizin und Technik. Sie können sich nie wieder im Ökosystem ansiedeln oder ansiedeln lassen. Gestörte Gleichgewichte lassen sich nie wieder herstellen. Entsprechend fordern auch die Vereinten Nationen (UN) in ihren wegweisenden 17 Zielen für Nachhaltige Entwicklung (SDGs) dem Verlust der Biologischen Vielfalt ein Ende zu setzen.
Die Bibel macht klare Vorgaben: Jedes Lebewesen ist in der biblischen Tradition ein gesegnetes Geschöpf Gottes. So führt das Leiden an der Zerstörung der Schöpfung notwendig zum Engagement für den Erhalt der Artenvielfalt. Den Schöpfer allen Lebens kann man nicht loben und ihm Ehre erweisen und gleichzeitig seine Schöpfung missbrauchen. Von daher können Christen nicht schweigen, wenn der Schöpfung Gewalt angetan wird. Diese Überzeugung ist kein Randthema für Christen und Christinnen, sondern Kernbestand ihres Glaubens über alle Konfessions- und Ländergrenzen hinweg.
Gleichzeitig macht die gegenwärtige Krise die Menschen in ungeahnter Weise sensibel für den Planeten als Ganzes. Immer mehr Menschen pflegen neue Werte, haben neue Träume und entwickeln neue Verhaltensweisen. Wir spüren schon die ersten Signale eines neuen Paradigmas. So haben wir eine neue Wahrnehmung von der Erde als einer gewaltigen Gemeinschaft, zu der die Menschen, die Tiere, die Pflanzen, das Wasser und auch die Luft gehören. Wir sind ein Teil dieser Gemeinschaft. Allerdings Glieder einer Gemeinschaft, auf denen auch die Verantwortung dafür lastet, dieses System für kommende Generationen zu erhalten.
Dank dieser Wahrnehmung spüren wir die Notwendigkeit eines neuen Umgangs mit Wissenschaft und Technik. Beide sollten im Einklang mit der Natur genutzt werden. So lautet also unsere Aufgabe als Christen, die Erde zu bebauen und sie für nachfolgende Generationen zu bewahren.
Dies greift auch Papst Franziskus in seiner Enzyklika Laudato si‘ über die Sorge für das gemeinsame Haus auf. Zum Verlust der Biologischen Vielfalt legt er seinen Mitmenschen ans Herz: „Da alle Geschöpfe miteinander verbunden sind, muss jedes mit Liebe und Bewunderung gewürdigt werden, und alle sind wir aufeinander angewiesen. Jedes Hoheitsgebiet trägt eine Verantwortung für die Pflege dieser Familie.“
Mit „Hoheitsgebiet“ umschreibt Papst Franziskus den Raum, auf den jeder Mensch einen Einfluss hat. Mit dieser Begrifflichkeit ist gleichzeitig auch ein Trost verbunden. Es geht nicht darum, die Welt grundsätzlich zu verändern, was eine sehr schwere Aufgabe für den Einzelnen wäre, stattdessen soll jeder die Verantwortung für das persönliche Einflussgebiet tragen.
Lebensmittel aus fairem Handel.
Foto: Gertrud Hein
Papst Franziskus betont, dass alle miteinander eine Art universale Familie bilden, die zu einem heiligen, liebevollen und demütigen Respekt bewegt und die Menschen das Aussterben einer Art beklagen (können), als wäre es eine Verstümmelung.
Alle Geschöpfe sollen also in ihrer Art und in ihrem natürlichen Lebensraum Schutz finden. Dies gelingt umso selbstverständlicher, je mehr Pflanzen und Tiere in ihrem „Hoheitsgebiet“ erlebt werden.
Denn wer über die kleinen und großen Wunder der Natur staunt, sie erfährt und kennen und achten gelernt hat, der kann dabei, ebenso wie seinerzeit der heilige Franz von Assisi, eine tiefe Spiritualität und eine innige Lebensfreude empfinden, sich mit der Schöpfung Gottes verbinden, sich dem Lobpreis des Heiligen Franz von Assisi anschließen und vom Herzen getragen sich für den Erhalt der Arten und den Schutz der jeweiligen Lebensräume einsetzen.
Pflanzen-Labyrinth zur Kontemplation
Foto: Gudrun Kordecki
Statue Franz von Assisi am Franziskus Hospital in Münster
Foto: Karola Wiedemann
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